Was zeichnet eine gute Geschäftsidee aus?
Die Geschäftsidee ist die Basis jeder Gründung. Anstatt auf einen zündenden Einfall zu warten, empfiehlt Günter Faltin von der Stiftung Entrepreneurship eine systematische Herangehensweise. Wie diese aussieht, erläutert er im impulse.de-Interview.
mpulse: Wie können Gründer eine erfolgreiche Geschäftsidee entwickeln?
Günter Faltin: Früher habe ich bei der Entwicklung einer Geschäftsidee mehr an Brainstorming gedacht und habe Workshops veranstaltet, wo das im Vordergrund stand. Heute glaube ich, dass man ein Geschäftsvorhaben sehr viel besser systematisch entwickeln kann. Dazu bietet es sich an, verschiedene Sichtachsen auf das Problem zu legen.
Wie wurde in der Geschichte mit dem Problem umgegangen? Wie kann man das Problem technologisch moderner angehen? Welche Technik kann eingesetzt werden? Was ist internettauglich? Man sollte möglichst viele Sichtachsen auf das Problem legen, um von mehreren Seiten her Lösungen zu versuchen. Was ein gutes Konzept ausmacht ist, dass es auf mehreren Beinen steht.
impulse: Welche Fehler werden Ihrer Erfahrung nach häufig bei der Ausarbeitung der Geschäftsidee gemacht?
Faltin: Meine Erfahrung ist, dass die meisten Gründer zu sehr in ihre eigene Idee verliebt sind und sie zu wenig einem oder mehreren harten Test aussetzen. Mit einem harten Test meine ich rausgehen und fragen: „Würden Sie mein Produkt oder meine Dienstleistung zu folgendem Preis kaufen? Am besten tragen Sie sich hier rechts gleich verbindlich ein. Sie sind dann mein Pioneer Customer, ich gebe Ihnen Vorteile wie zum Beispiel einen Discount, aber bitte kaufen Sie rechtskräftig!“ Das ist ein Proof of Concept.
Freunde oder Bekannte werden immer nett sein und etwas Freundliches sagen. Das hilft aber nicht weiter. Wichtig ist also ein harter Proof of Concept. Wenn ich mir Kapital besorgen möchte, dann ist es gut, wenn ich einen Proof of Concept vorzeigen und sagen kann, „ich habe schon Kunden und diese Kunden sind davon begeistert, sie haben das schon weitererzählt“.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich die meisten Gründer überlasten und mit Details überfordern. Die Buchhaltung einreichen, die Logistik machen, die Pakete verschicken, die Website selbst programmieren – das sollte man an professionelle Leute abgeben.
Wenn das Argument kommt, „Das kann ich mir nicht leisten, professionelle Leute sind zu teuer.“, dann sage ich immer: „Dann probieren Sie es doch mal mit Unprofessionalität“. Das wird noch teurer. Das Konzept muss hergeben, dass ich professionelle Leute beschäftigen kann. Wenn es das nicht hergibt, muss man weiter am Konzept arbeiten, so lange, bis es ermöglicht, dass ich mich nicht um alles kümmern muss, sondern auch abgeben kann.
impulse: Gibt es noch einen wichtigen Punkt, den Gründer unterschätzen?
Faltin: Ein weiterer Punkt ist die Gründung mit Komponenten. Wir haben heute ein hohes Ausmaß an Arbeitsteilung und Spezialisierung erreicht, sodass man für sehr viele Dinge vorhandene Komponenten nutzen kann. Bei RatioDrinkbeispielsweise stellen wir das Fruchtsaftkonzentrat nicht selbst her, das holen wir von einem Unternehmen, das sowas anbietet. Die Verpackung, die drei Liter Bag-in-Box, holen wir uns natürlich von außen. Auch das Abfüllen, die Buchhaltung und das Versenden machen wir nicht selbst. Professionelle Versender sind in der Regel preiswerter, als selbst Pakete zu versenden, allein weil die Paketgebühren so hoch sind. Auch das Material für Pakete ist viel preiswerter, wenn es in größeren Mengen eingekauft wird.
Komponenten sind ein ganz wichtiges Prinzip. Das erspart mir als Gründer auch sehr viel Kapitaleinsatz. Damit bleibe ich länger Mehrheitsgesellschafter in meinem Unternehmen und bin von Anfang an professionell, weil meine Komponenten professionell sind. Wenn ich dann expandiere, habe ich nicht so viele Risiken, als wenn ich selbst alles neu anschaffe, weil meine Komponenten schneller und leichter expandieren können als ich selber. Und wenn ich merke, mein Geschäft läuft nicht gut, dann bekommen meine Komponenten etwas weniger Aufträge – das tut ihnen auch nicht so weh, weil sie ja schon groß sind.
Der letzte Vorteil beim Gründen mit Komponenten ist, dass ich von Anfang an in den Economies of Scale bin. Normalerweise muss ich erst auf eine bestimmte Größe wachsen, damit ich aufgrund der Skalierbarkeit Kostenvorteile nutzen kann. Meine Komponenten sind aber schon groß genug, um Kostenvorteile zu nutzen, da sie nicht nur mich als Kunden haben, sondern schon längst in dem Markt sind. Gründen mit Komponenten ist ein ganz wichtiger Bereich, der sich noch nicht so herumgesprochen hat, der aber für mein Empfinden der aussichtsreichste Bereich ist, mit dem man sehr viel mehr Gründern helfen kann, wirklich zu überleben.
impulse: Kann ich meine Geschäftsidee vor Ideenklau schützen?
Faltin: Das Thema Schutz ist ein eigenes Gebiet. Grundsätzlich gilt: Technische Neuerungen kann man schützen, Ideen kann man nicht schützen. Wenn die Idee allerdings eine eigene Form, eine eigene Farbe oder ein Logo hat, können diese Teile natürlich geschützt werden.
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Thema Ideenklau übertrieben wird. Ich muss über mein Konzept sprechen, um Interessenten zu finden und um zu überprüfen, ob mein Konzept schon ausgereift ist. Mit einer nicht ausgereiften Idee würde ich niemals an den Markt gehen.
Zu einer ausgereiften Idee gehört zum Beispiel, dass die Marktvorteile klar erkennbar sind, dass mein Konzept auf mehr als einem Bein steht und dass Leute mit Begeisterung über das Konzept sprechen. Dazu gehört auch, dass es vielleicht etwas Ausgefallenes, Schräges, Originelles hat, sodass ich Aufmerksamkeit für mein Konzept bekomme.
impulse: Welchen Tipp geben Sie Gründern in Bezug auf die Geschäftsidee mit auf den Weg?
Faltin: Wenn ich ein gutes Konzept ausarbeite, ist es so, als würde ich das Gewinnlos einer Lotterie systematisch erarbeiten. Aber es ist harte Arbeit. Es ist nicht einmal durch den Wald laufen, einen Einfall haben und sich in die eigene Idee verlieben – es ist harte, systematische Arbeit. Man benötigt einen frühen Proof of Concept. Gründer müssen das Konzept immer wieder neu überlegen, von verschiedenen Seiten betrachten und mit anderen diskutieren – solange bis ein ausgereiftes Konzept vorliegt.